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A/B-Tests am stationären Point-of-Sale: Mehr eCommerce-Standards für die Filiale…

  • Autorenbild: Michael Jungbluth
    Michael Jungbluth
  • 16. Aug. 2022
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 26. Apr. 2023

Der stationäre Point-of-Sale (sPoS) bietet viele Optionen der Produktpräsentation und Kundeninteraktion. Mit vielen Optionen stellt sich auch die Frage nach der optimalen Konfiguration für Category Management-, Store Layout- und Service-Manager: Welche inkrementelle Umsatzwirkung hat die Zweitplatzierung an welchen Stellen im Store? Wo muss aktiv Beratung angeboten werden, um Abschlüsse zu verbessern? Wie wirkt sich eine räumliche Platzierung nach „Shopper Missionen“ im Vergleich zur Platzierung nach Produktkategorien aus? Sollten UpSell-Pfade besserer Qualität markenübergreifend oder innerhalb der jeweiligen Markenwelt präsentiert werden? An welchen Stellen des sPoS wirken Online-Touchpoints in welcher Ausgestaltung absatzfördernd? Welchen Hebel haben Möglichkeiten der haptischen Produktexploration noch in einer post Covid-Welt?


Schnell findet man zu diesen für den teuren sPoS hoch relevanten Fragestellungen komplexe und rigorose Forschungsbeiträge. Die Praxis verlässt sich durch „Trial and Error“ eher pragmatisch auf punktuell ermittelte Korrelationen mit Abverkaufsdaten, die nicht notwendigerweise frei von Scheinkorrelationen sind. Der eCommerce ist da schon deutlich weiter. Die „Online-Kollegen“ nutzen Clickstream-Daten und A/B-Tests bereits intensiv und zeigen das Optimierungspotential durch so genannte RCTs (Randomized Control Trials) umfänglich auf.


Es stellt sich die Frage nach praktikablen Analogien für den sPoS, wenn das gezielte Experimentieren ungleich schwieriger ist als im eCommerce. Oder anders formuliert:

Wie kommen Retailer kosteneffektiv an vergleichbare Versuchs- und Kontrollgruppen, um sPoS-Maßnahmen schnell und verallgemeinerbar zu evaluieren?

Versuchs- und Kontrollgruppen unterscheiden sich im Vergleichszeitraum strukturell nur durch die zu qualifizierende Category-, Store- oder Service-Maßnahme. Wird eine Maßnahme in einem Versuchs-Store durchgeführt, so steht das Herstellen von „Strukturgleichheit“ für den Kontroll-Store (ohne die Maßnahme) im Mittelpunkt der methodischen Herausforderung. Ist Strukturgleichheit sichergestellt, kann der Maßnahmeneffekt unverzerrt ermittelt werden. Strukturgleichheit bezieht sich im Handel stets auf das registrierte Kaufverhalten in Versuchs- und Kontroll-Stores.


In diesem Impuls möchte ich dieses wichtige methodische Puzzleteil hervorheben. Gleichzeitig sei jedoch darauf verwiesen, dass die organisatorische Umsetzbarkeit und konsequente Nutzung die vermeintlich größere Baustelle darstellt. Dezentrale, heterogene Filialstrukturen und Entscheidungskompetenzen wie auch die organisatorische Reaktanz gegenüber höherer Maßnahmen-Transparenz sind sicherlich die größeren Hürden für Handelsunternehmen.

Aber welche konkreten Infrastrukturmaßnahmen liefern wichtige Ankerpunkte zur Ermittlung von Strukturgleichheit für unterschiedliche sPoS und damit die Basis für erfolgreiches A/B-Testing im stationären Umfeld?

Sensorik am sPoS ist mittlerweile in der Lage kosteneffektiv granulare und anonyme Lokationsdaten von Shoppern zu erfassen. Diese Daten sind mit Clickstream-Daten im eCommerce zu vergleichen und reflektieren sequentielle Entscheidungen, welche Bereiche des sPoS von Shoppern besucht werden und welche nicht. Reichern Retailer diese Daten mit ebenfalls anonymen Abverkaufsdaten an, so kann die sPoS-Interaktion mit Blick auf

  • Touchpoint-Nutzung (i.S.v. „Wie?“) und

  • Touchpoint-Ergebnis (i.S.v. „Was?“)

für jeden Shopper datenschutzkonform erfasst werden. Um Kaufentscheidungen am sPoS „End to End“ zu beschreiben fehlen damit lediglich Daten zur Kaufmotivation beim Betreten des sPoS (i.S.v. „Warum?“) und zur Person (i.S.v. „Wer?“). „Wer?“ und „Warum?“ sind ungleich schwerer zu erfassen. Die Frage nach dem „Wer?“ können zwar Loyalitätsprogramme beantworten, jedoch erwachsen daraus gleichzeitig Datenschutz- und Repräsentativitäts-Herausforderungen.


Zentral ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen das „Wie?“ bereits ausreichend Hinweise zum „Warum?“ liefert? Wäre dies der Fall, könnten Händler mit Sensorik- und Bondaten zentrale Kaufverhaltensaspekte in den Stores erfassen. Insbesondere Fachhändler höherwertiger Güter mit Inspektionstiefe sollten davon ausgehen, dass das Verhalten am sPoS bereits durch eine erfolge Online-Informationssuche und Alternativenabwägung stark vorderterminiert ist. Es ist in solchen Fällen zu vermuten, dass Kaufmotivationen Laufwege am sPoS stärker determinieren als zufällige Begegnungen mit stationären Impulsen. Im FMCG-Umfeld wird dieser Effekt weniger ausgeprägt sein.


Was heißt dies für unsere Kernfrage: Wie kommen wir zu mehr Maßnahmentransparenz am sPoS? Händler benötigen vereinzelte Stores, die mit anonymer Sensor-Technologie ausgestattet sind! Wie viele Stores müssen ausgestattet werden? Wir sind der Auffassung, dass unterschiedliche Store-Layouts sehr gut durch Entscheidungsmodelle auf Basis der Laufwege („Wie?“) und Abverkäufe („Was?“) kontrolliert werden können. Diese Modelle kondensieren die granularen Lokationsdaten auf wenige charakteristische, vergleichbare und verallgemeinerbare Entscheidungsmuster. Damit ist die Anzahl der auszustattenden Stores gering zu halten. Die kalibrierten Modelle liefern die wichtige Basis für Strukturgleichheit im Rahmen von A/B-Tests. Verändern Händler nun in einem Versuchs-Store das Category-, Store- oder Service-Design, so lässt sich die inkrementelle Wirkung der Maßnahme durch gezielte Vergleiche mit ähnlichen Entscheidungsmustern im Kontroll-Store unverzerrt ermitteln. Dies ermöglicht valide Business-Case-Betrachtungen zum kompletten Roll-Out der jeweiligen Maßnahme im Filialnetz.


Zusammenfassend benötigen Händler für den sPoS mehr gezielte Maßnahmentransparenz, insbesondere im komplexen Omni-Kanal-Mix. Anonyme Sensorik am sPoS sowie eine richtig aufgesetzte Methodik und Experimentierplattform sind der vielversprechendste Weg, um steuerungsseitig mit dem eCommerce Kanal aufzuschließen.

 
 
 

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©2023 Prof. Dr. Michael Jungbluth

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